Yves Gollhardt, Alumnus unserer Hochschule, arbeitet seit vielen Jahren in der Psychoonkologie – wir haben mit ihm darüber gesprochen.
Was hat Sie dazu bewegt, sich für eine Karriere in der Psychoonkologie zu entscheiden?
Zur Psychoonkologie bin ich ehrlich gesagt etwas auf Umwegen gekommen. In der Zeit meines Studiums hatte ich noch gar nicht so viel davon gehört. Doch in einem meiner letzten Semester im Masterstudium hatten wir im Modul Psychopharmakologie einen Gastdozenten vom SRH Wald-Klinikum Gera: Dr. Thomas Jochum, der zu diesem Zeitpunkt Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie war. Als es auf das Ende meines Studiums zuging, habe ich mich natürlich gefragt, wie es danach weitergehen soll. Zu diesem Zeitpunkt war eine Stelle im Psychoonkologischen Dienst (zählt zur Klinik Psychiatrie und Psychotherapie) im WKG frei, auf die ich mich dann beworben habe, da mir Dr. Jochum ja bereits bekannt war. Nun bin ich seit mittlerweile 2015 dort angestellt und konnte seitdem viele Erfahrungen mit Patient:innen, Angehörigen und Kolleg:innen sammeln.
Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie in der Betreuung von Krebspatient:innen in Ihrer täglichen Arbeit?
Hier muss man zunächst etwas weiter ausholen. Als Psychologe im psychoonkologischen Dienst gehe ich primär einer beratenden, keiner therapeutischen Tätigkeit nach. Ich begleite und unterstütze die Patient:innen und Angehörigen in allen Phasen der Erkrankung, d. h. von dem Moment an, wo sie ins Klinikum kommen, über die vielen Untersuchungen, die Diagnosestellung bis hin zu den medizinischen Behandlungen und darüber hinaus. Das heißt, meine Arbeit ist stark geprägt von den unterschiedlichen Phasen der Tumorerkrankung. Manche Patient:innen benötigen nach dem Erstkontakt vorerst keine weitere psychoonkologische Unterstützung, andere haben eventuell einen größeren Unterstützungs- und Gesprächsbedarf. Jede:r Patient:in ist individuell, bringt eine andere Vergangenheit mit und hat sich schon mehr oder weniger mit dem Thema Krebs auseinandergesetzt.
Ganz wesentlich ist es daher, die Patient:innen immer dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Wir versuchen, dem Ganzen immer niederschwellig zu begegnen und so die Ängste der Patient:innen abzubauen. Dabei spielt nicht nur eine Rolle, welche Fragen und welchen Unterstützungsbedarf die Patient:innen selbst mitbringen, sondern auch, wie sie z. B. familiär aufgestellt sind, ob es z. B. schon eine psychologische Vorerkrankung gibt oder eine akute Eigengefährdung durch die Erkrankung besteht. In solchen Fällen binden wir dann auch die psychiatrischen Kolleg:innen mit ein.
Wie genau unterstützen Sie Patient:innen dabei, mit der Diagnose Krebs und den damit verbundenen Veränderungen in ihrem Leben umzugehen?
Wir als Psycholog:innen leisten häufig Hilfe zur Selbsthilfe und stehen den Patient:innen in den unterschiedlichen Phasen der Erkrankung beratend und unterstützend zur Seite, indem wir sie bestärken, auf ihre eigenen Ressourcen zu schauen. Dafür schaffen wir Gesprächsangebote und helfen, verschiedene Kooperationspartner zu finden, denn es geht nicht immer um die reine Medizin oder Psychologie, sondern auch um viele weitere Angebote (wie z. B. Sportangebote, Kochworkshops, Kunsttherapeutische Angebote, Entspannungstechniken etc.), die regelmäßig im Jahresverlauf an der SRH Hochschule für Gesundheit oder in der Psychosozialen Beratungsstelle am SRH Wald-Klinikum Gera angeboten werden und hilfreich für die Patient:innen in der Krankheitsbewältigung sein können. Zusammengefasst gibt es ganz unterschiedliche Methoden, die individuell helfen können, die eigenen Emotionen zu bündeln, Kraft zu tanken und mit den Belastungen einer Krebserkrankung umzugehen.
Welche Ansätze oder Techniken, die Sie im Studium erlernt haben, finden Sie besonders wichtig bei der Unterstützung von Krebspatient:innen?
Dies sind oft bestimmte Gesprächstechniken oder auch das schnelle (gedankliche) Hineinversetzen in die Situation der Patient:innen. Darüber hinaus kommunikative Fähigkeiten wie etwa aktives Zuhören, um auf die aktuellen Bedürfnisse der Patient:innen einzugehen.
Des Weiteren ist es wichtig, dass die Patient:innen die Informationen, die sie im jeweiligen Krankheitsfall im Krankenhaus bekommen sollen, auch bewusst registrieren, sei es aus ärztlicher oder psychologischer Sicht. Dabei besteht beispielsweise auch die Möglichkeit, mit den Patient:innen und Angehörigen nach einem Arztgespräch die Informationen nochmal aufzuarbeiten und besser verständlich zu machen, um in Ruhe die nächsten Schritte zu besprechen und mögliche Fragen zu klären.
Wie gehen Sie mit der emotionalen Belastung um, die mit der Arbeit im psychoonkologischen Dienst einhergeht?
Hier muss man sagen, dass jede:r Mitarbeiter:in im psychoonkologischen Dienst in erster Linie eigenverantwortlich ist und sich um die eigene Psychohygiene kümmern sollte. Bei mir ist es so, dass ich über die Jahre hinweg eigene Strategien entwickelt habe, mit den beruflichen Belastungen des Alltags besser umzugehen. Dabei treibe ich z. B. gerne Sport, höre Musik oder verbringe Zeit mit meiner Frau und meiner Tochter. Darüber hinaus haben wir ein gutes Team und tauschen uns viel aus. Einmal in der Woche haben wir eine Intervison und alle 2 Monate eine Supervision mit einer externen Supervisorin. Mit der Zeit wird es auch ein Stück weit einfacher, sein Erlebtes besser zu verarbeiten, da man viele Abläufe im Klinikum kennt. Dennoch sind alle Patient:innen und deren Krankheitsverläufe individuell, sodass man immer wieder vor neue herausfordernde Situationen gestellt wird.
Was würden Sie jemandem raten, der sich für eine Tätigkeit in der Psychoonkologie interessiert?
Man sollte auf jeden Fall Lust haben, im klinischen Bereich zu arbeiten. Wichtig ist auch, sich bereits vorher mit dem Thema Krebs beschäftigt zu haben, da es ein sehr sensibler Bereich ist und sich bleibende Veränderungen für die Betroffenen und Angehörigen ergeben können. Das Nähe-Distanz-Verhältnis, also die Frage, wie sehr man Patient:innen an sich heranlässt, spielt dabei auch eine sehr große Rolle. Ein Praktikum im Rahmen eines Psychologiestudiums kann auf jeden Fall helfen, herauszufinden, ob man sich diese Art von Tätigkeit vorstellen kann. Nichtsdestotrotz sollte man sich schon im Vorfeld damit befassen, wie die Arbeit in der Psychoonkologie aussehen könnte und welche Krankheitsbilder einem begegnen. Wenn man mit den Themen Tod und Sterben Schwierigkeiten hat, dann ist es wahrscheinlich nicht die passende Tätigkeit. Zumal die psychoonkologischen Aufgaben mit dem Tod der Patient:innen häufig nicht enden, sondern darüber hinausreichen.