SRH Hochschule für Gesundheit

Projektvorstellung

Forschungsprojekt PSNV-U „Psychosoziale Notfallversorgung in Unternehmen - eine Bestandsaufnahme zur Umsetzung in Deutschland“

Ausgangslage

„Wie werden Beschäftigte in Unternehmen nach Todesfällen, Unfällen, tätlichen Übergriffen oder anderen Notfällen psychosozial betreut?“

Aktuell gibt es zu dieser Frage keine belastbaren Daten. Belegbar sind jedoch die Gesamtheit aller Trauma-assoziierten Gesundheitskosten, die sich nach Schäfer et al. (2019) in einer Größenordnung zwischen 524,5 Mill. Euro und 3,3 Mrd. Euro jährlich bewegen. Personalausfallkosten für Unternehmen sind dabei nicht berücksichtigt.

Erste Studien zeigen, dass einige Unternehmen präventive Angebote in diesen Bereichen vorhalten, wie bspw. ein internes psychosoziales Notfallmanagement mit betrieblich-psychologischen Erstbetreuenden. In anderen Unternehmen sind Beschäftigte bei betrieblichen Notfällen jedoch häufig unversorgt und/oder Einsatzkräfte aktivieren regionale ehrenamtliche PSNV-B-Teams (Psychosozialen Notfallversorgung für Bevölkerung) für die Betreuung der Beschäftigten.

Zudem nutzen einige Beschäftigte nach einem Notfall Unterstützungsangebote von Unfallversicherungsträgern oder externen Dienstleistern, während andere Beschäftigte verfügbare Unterstützungsangebote nicht kennen bzw. keine verfügbar sind.

Projektziele

Das Ziel unseres Forschungsprojektes ist es einen Überblick über betriebliche Angebote der psychosozialen Betreuung in plötzlich auftretenden Notfallsituationen zu gewinnen und betriebliche Faktoren und Maßnahmen zu beschreiben, die diese positiv oder negativ beeinflussen.

Multiperspektivisch nähern wir uns der Fragestellung in verschiedenen qualitativen und quantitativen Befragungen und lassen Unternehmen/Betriebe, Unfallversicherungsträger, ehren- und hauptamtliche PSNV-B-Teams sowie externe Dienstleister:innen zu Wort kommen.

Das Projekt ist gemäß dieser Gruppen in vier Teilprojekte untergliedert.

Vorgehensweise

Geplant ist die Bestandsaufnahme als Querschnittsuntersuchung unterschiedlicher beteiligter Zielgruppen mit verschiedenen Befragungen (jeweils Screening & Intensivbefragung).

  • Für die Zielgruppe der Unternehmen planen wir in Abhängigkeit der Branche und Betriebsgröße die Untersuchung repräsentativer Teilstichproben.
  • Für die Zielgruppe der Unfallversicherungsträger ist sowohl für das Screening als auch für die Intensivbefragung eine institutionelle Vollerhebung geplant.
  • Für die Zielgruppe der ehrenamtlichen PSNV-Teams erfolgt für die Jahre ab 2015 eine Analyse der Einsatzstatistiken (Vollerhebung). Zudem wird in ausgewählten PSNV-Teams (1 pro Bundesland) eine Intensivbefragung zu Einsätzen mit betrieblicher Indikation durchgeführt.
  •  Für die Zielgruppe der externen Anbieter:innen werden freie Anbieter und überbetriebliche Anbieter*innen fokussiert, die Ihre Angebote frei anbieten oder bereits mit Betrieben bzw. UVT zusammenarbeiten.

Unsere Teilprojekte

Zentraler Baustein des Projektes sind die avisierten Ergebnisse der Unternehmensbefragung zur Versorgungslage der Beschäftigten bei potentiellen psychischen Gesundheitsgefährdungen bei Notfällen im Arbeitskontext.  Die repräsentative Befragung der Unternehmen mit Unterscheidung nach Betriebsgröße und Branche (UVT-Zugehörigkeit) erfolgt im Screening als Onlinebefragung. In einer weiteren Stufe ist eine Intensivbefragung ausgewählter Betriebe geplant. Dabei soll eruiert werden, welche betrieblichen Vorgehensweisen der psychosozialen Notfallbetreuung in Unternehmen umgesetzt werden.

Forschungsfragen:

  • Wie werden Beschäftigte in Betrieben in Deutschland nach plötzlich auftretenden Extremsituationen psychosozial betreut?
  • Welche internen und externen betrieblichen Faktoren und Maßnahmen beeinflussen eine psychosoziale Betreuung nach plötzlich auftretenden Extremsituationen im Arbeitskontext positiv oder negativ?

Für das repräsentative Screening erfolgt die Stichprobenziehung aus einem Datensatz von 3 Millionen Unternehmensadressen aller Branchen und Größen. Für unsere gewünschte Stichprobe von ca. 4.000 Betrieben und mit einer angenommenen Rücklaufquote von 1% werden 400.000 Unternehmen via Mail angeschrieben. Die für das Screening ausgewählte Befragungssoftware Limesurvey stellt alle Anforderungen an eine anonymisierte Datenverarbeitung und den allgemeinen Datenschutz sicher. Aktuell wird der Fragebogen anhand wissenschaftlicher Literatur final entwickelt, so dass die Erhebung nach der Sommerpause 2022 starten kann. Der geplante Zeitpunkt für den Start der Intensivbefragung ist Ende 2023.

Die DGUV stellte 2017 ein Modell für die Vermeidung von psychischen Gesundheitsschäden und deren Folgen nach plötzlich auftretenden Extremsituationen im Arbeitskontext vor, in dem Ziele, Maßnahmen, Verantwortliche und mögliche Akteure für die Phasen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention abgebildet sind. Auf dessen Grundlage erstellten Unfallversicherungsträger für ihre Mitgliedsunternehmen verschiedene Angebote, die in einer Dokumentenanalyse themen- und branchenspezifischer Broschüren aufgearbeitet und in Interviews mit dem Unfallversicherungsträgern vertieft werden.

Forschungsfragen:

  • Welche Hilfestellungen bzw. Unterstützungen bieten Unfallversicherungsträger im Bereich PSNV für ihre Mitgliedsbetriebe an?
  • Welche Ideen haben die Unfallversicherungsträger für die Zukunft, um Betriebe bei der psychosozialen Betreuung nach Notfällen zu unterstützen?

Alle Maßnahmen, welche die Unfallversicherungsträger zur Unterstützung der Unternehmen nach Extremereignissen aktuell anbieten, sollen abgebildet werden. Dabei soll auch herausgearbeitet werden, welche Faktoren in den Unternehmen aus Sicht der Unfallversicherungsträger bestimmte Präventionsmaßnahmen erleichtern bzw. hemmen. Schließlich sollen, wenn möglich in Bezug auf Branche und Unternehmensgröße, erfolgreiche Maßnahmen und Modelle zur Prävention und psychosozialen Versorgung nach Notfällen im betrieblichen Kontext abgeleitet werden.

In Deutschland gibt es aktuell über 300 ehrenamtliche Dienste der Psychosozialen Akuthilfe für Betroffene. Diese sind für die Erstversorgung der Bevölkerung bei Notfällen ausgebildet. Erste Studien zeigen, dass bei Notfällen im Unternehmenskontext mitunter auf diese regionalen ehrenamtlichen Strukturen zurückgegriffen wird. Diese kommen sowohl für die Erstbetreuung als auch für eine psychologische Nachbetreuung im Sinne der Sekundärbetreuung zum Einsatz. Für eine genaue Bestandsaufnahme, wie häufig ehrenamtliche PSNV-B-Teams zu betrieblichen Einsätzen gerufen werden, ist eine Analyse der Einsätze aller ehrenamtlichen PSNV-B-Teams seit 2015 geplant. Zudem werden in teilstandardisierten Interviews die Landesbeauftragten und ausgewählte PSNV-Teams in einer Intensivbefragung zu ihren Einsätzen befragt werden.

Forschungsfragen:

  • Wie häufig haben die Einsätze ehrenamtlicher PSNV-B Teams einen betrieblichen Anlass?
  • Wie erleben PSNV-B Einsatzkräfte die Einsätze im betrieblichen Bereich?

Externe Anbietende erfüllen im Auftrag von Unternehmen Dienstleistungen wie Angebote der Primärprävention, für die Akutbetreuung und die anschließende psychologische (Nach)Versorgung im Sinne der Sekundär- und Tertiärprävention.
Welche Angebote durch Unternehmen nachgefragt werden und wie die qualitative Ausgestaltung und die Qualitätssicherung umgesetzt wird soll sukzessive in einer Dokumentenanalyse und in Interviews erhoben werden. Das Teilprojekt 4 startet Ende 2023 und geht folgenden Forschungsfragen nach:

Forschungsfragen:

  • Wie unterstützen externe Anbietende Betriebe in Deutschland bei der psychosozialen Betreuung der Beschäftigten nach plötzlich auftretenden Extremsituationen?

Welche internen und externen Faktoren hemmen oder fördern die Unterstützung der Betriebe durch externe Anbietende bei der psychosozialen Betreuung der Beschäftigten nach plötzlich auftretenden Extremsituationen?

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