SRH Hochschule für Gesundheit
Forschung

Fühlt und denkt die Puppe?

In einer computergestützten Studie untersucht unsere Absolventin Julia Bundschuh, inwieweit Kinder Puppen emotionale und kognitive Zustände zuschreiben. Wir haben mit ihr über das Forschungsprojekt gesprochen.

Können Puppen in der psychologischen Forschung als adäquate Stellvertreter für menschliche Interaktionspartner dienen? Diese Frage ist Gegenstand einer aktuellen Forschungsdebatte, der sich auch unsere Absolventin Julia Bundschuh gemeinsam mit einer Kommilitonin in ihrer Master-Arbeit unter Betreuung von Prof. Dr. Susanne Hardecker gewidmet hat. In einem Interview hat sie uns einige Fragen zu dem Projekt, das sie auch nach ihrem Abschluss weiterführt, beantwortet. 

Worum geht es in Ihrem Forschungsprojekt und was ist das Hauptziel?

Die Studie untersucht, inwieweit Kinder Puppen emotionale und kognitive Zustände zuschreiben und ob diese Zuschreibungen mit denen verglichen werden können, die sie ihren menschlichen Peers zuschreiben. Eine weitere Arbeit hat sich mit den moralischen Aspekten beschäftigt und biologische Faktoren wurden ebenfalls abgefragt.

Das Hauptziel besteht darin, zu klären, ob Puppen als adäquate Stellvertreter für menschliche Interaktionspartner in der psychologischen Forschung dienen können, denn dies wurde kürzlich von Autor:innen in Frage gestellt in einem Artikel mit dem Titel „Theory of Puppets“ (angelehnt an der Theory of Mind). In diesem Artikel wird sämtliche Forschung im entwicklungspsychologischen Bereich in Frage gestellt, die mit Puppen als Stellvertreter gearbeitet hat. Die Autor:innen stellen darin die Hypothese auf, dass unsere bisherigen Messergebnisse verfälscht wurden und wir nicht das menschliche Verständnis für Konzepte untersucht haben, sondern ein Verständnis von Puppen.

Wie ist die Studie aufgebaut? 

Wir rekrutierten Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren in KITAS in Gera und Erfurt. Zunächst sprachen wir die KITA-Leitungen an und haben dann das Einverständnis der Eltern eingeholt. Die Studie verwendet ein computergestütztes Experiment, wobei die Kinder die Fragen an einem Computer oder Tablet beantworten. Sie durchlaufen drei Bedingungen: Interaktion mit einem realen Kind, einer animierten Puppe und einer nicht-animierten Puppe. Diese Interaktionen erfolgen in Alltagsszenarien (Picknick, Geburtstag, Spielzimmer) und die Kinder bewerten die emotionalen und kognitiven Zustände der Charaktere. Die Antworten werden in Ja-/Nein-Formaten oder über eine kindgerechte Likert-Skala erfasst. Im Anschluss erhielten die Kinder zum Dank eine Urkunde und ein paar Sticker.

Welche Erkenntnisse konnten Sie bisher gewinnen?

Die Studie ergab, dass Kinder Emotionen und Kognitionen unabhängig davon zuschreiben, ob sie mit einem Kind oder einer Puppe interagieren. Es wurden keine signifikanten Unterschiede in der Zuschreibung emotionaler Zustände zwischen den Agenten (Kind, animierte Puppe, nicht-animierte Puppe) festgestellt. Diese Erkenntnisse widersprechen folglich der Kritik von Moreno Dulcey & Packer (2022) und reihen sich in der Forschungsdebatte in die Erkenntnisse der letzten Jahre ein. Mehrere Autor:innen haben bisher keine Unterschiede feststellen können zwischen der Verwendung von Puppen und Kindern als Interaktionspartner. Insbesondere eine große Metaanalyse von Yu & Wellmann (2022) hat konsistente Antworten im Rahmen von Theory-of-Mind-Studien erfasst, unabhängig davon, ob eine Puppe oder ein Kind als Interaktionspartner verwendet wurde.

Welche weiteren Forschungsfragen ergeben sich daraus?

Eine zentrale Frage, die sich aus der Arbeit ergibt, ist, inwieweit Puppen in Zukunft durch Roboter oder computerbasierte Animationen ersetzt werden können und wie sich diese technologischen Fortschritte auf die Forschung auswirken werden.

Zukünftige Studien sollten weitere direkte Vergleiche zwischen Puppen und Kindern ziehen, um diese Erkenntnisse absichern zu können. Zusätzlich wäre es interessant, eine dauerhafte Animation der Puppe als dynamischen Faktor, der die Tendenz der Kinder zum Anthropomorphisieren (Vermenschlichen) oder den sogenannten „Pretense“-Modus (So-tun-als-ob) beeinflusst, zu explorieren. Außerdem konnten wir Altersunterschiede in Bezug auf die Zuschreibung feststellen, deren Einfluss auf die Wahrnehmung von Puppen sollte zukünftig noch genauer untersucht werden.

Was hat Sie motiviert, dieses spezifische Thema zu erforschen?

Frau Prof. Hardecker hat mich ursprünglich auf dieses Forschungsthema aufmerksam gemacht. Zunächst sind Puppen nicht unbedingt die erste Wahl für eine angehende Psychologin und Psychotherapeutin, da sie ja weder Gefühle noch Gedanken haben. Das war aber auch einer der zentralen Kritikpunkte des Artikels, der diese Forschungsdebatte entfacht hat. Das hat mich neugierig gemacht und ich habe mich in das Thema bzw. in diese Diskussion eingelesen. Ich fand es spannend zu erfahren, ob nun wirklich damit die Validität der bisherigen Erkenntnisse in diesem Forschungszweig zweifelhaft ist, da Puppen ja nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Pädagogik oder in therapeutischen Kontexten ein weit verbreitetes Mittel der Wahl sind.

Prof. Dr. Susanne Hardecker

Studiengangsleitung Psychologie (M. Sc.), Professorin für Methodenlehre in den Gesundheits- und Sozialwissenschaften, Studiengang Psychologie, B. Sc.

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